Pressemitteilung vom 30.04.2020
Schwammspinner im Klimawandel

Befallsfläche ausgeweitet – jetzt auch in Buchenwäldern

Die laufende Massenvermehrung des Schwammspinners geht 2020 im Landkreis Haßberge in das dritte Jahr. Zum Schutz hiesiger Laubwälder vor einem Kahlfraß durch Schwammspinnerraupen werden in einigen besonders gefährdeten Bereichen ab Anfang Mai Pflanzenschutzmittel eingesetzt.
Die Ausbringung erfolgt durch einen Hubschrauber auf lediglich rd. 0,6 % der Waldfläche des Landkreises obwohl eine wesentlich größere Fläche von der Massenvermehrung betroffen ist. Behandelt werden 15 Einzelflächen mit insgesamt rd. 250 Hektar. Der Beginn der Maßnahme ist abhängig von der Witterung.

Lage der Waldgebiete und Allgemeines zum Schwammspinner

Der Schwammspinner hat sich im Sommer 2019 weiter stark verbreitet. Dies gilt sowohl regional als auch hinsichtlich befallener Waldstrukturen. Über ein Drittel der Behandlungsfläche im Amtsbereich liegt in neuen Gebieten, in denen der Schwammspinner in der Vergangenheit nie waldschädliche Dichten zeigte. Gleichzeitig droht nun Kahlfraß auch in buchenreicheren Wäldern, die bisher als zu „kühl“ für den Schwammspinner angesehen wurden. Beide Entwicklungen stehen vermutlich im Zusammenhang mit den zurückliegenden heißen Jahren.
Ob der Wald gravierenden Schaden nimmt, hängt einerseits von der Stärke des Schwammspinnerfraßes ab und andererseits vom Vitalitätszustand, den Abwehrkräften der Bäume. In den Extremjahren 2015, 2018 und 2019 waren die Bäume in der Region starker Hitze und Trockenheit ausgesetzt. 2019 zeigten sich bisher so nicht gekannte Schäden und diese auch an Laubbäumen, insbesondere an Rotbuchen. Ebenso nahm bei der Eiche seit Sommer 2019 der Umfang der Schäden und damit verbunden der zwangsweise Einschlag geschädigter Bäume zu. Gerade das Zurücktrocknen und Absterben von beigemischten schattenspendenden Buchen und Hainbuchen führt zu einer weiteren Erwärmung von Eichenwäldern. Dies begünstigt den wärmeliebenden Schwammspinner und dessen weitere Ausbreitung zusätzlich.

Umfangreiche, sorgfältige Vorarbeiten

Dem Pflanzenschutzmitteleinsatz gingen umfangreiche Vorarbeiten voraus. Bereits im Frühsommer 2019 haben Förster kartiert, wo Schwammspinnerraupen Wälder kahlgefressen haben. Anschließend wurde der Falterflug kontrolliert, um einen ersten Eindruck zu gewinnen, in welchen Wäldern die gut sichtbaren weißen weiblichen Falter ihre Eipakete an Stämmen und vor allem in den Baumkronen ablegen. Im Herbst schließlich haben Förster mit großem Arbeitsaufwand auf Grundlage eines weiterentwickelten, detaillierten Prognoseverfahrens sowohl die Anzahl der Eigelege des Schwammspinners an Stämmen und Kronenästen als auch Vitalitätsparameter der Eichenwälder sowie das Vorhandensein weiterer Schädlinge der Eiche erhoben. Im Amtsbereich des AELF Schweinfurt, den Landkreisen Schweinfurt und Haßberge wurden auf insgesamt rd. 1000 Untersuchungslinien 10.000 Bäume genauer betrachtet. Häufig wurden dabei auch die für den Menschen gefährlichen Gespinste des Eichenprozessionsspinners gefunden.
Die vor Ort erfassten Daten hat die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) in Freising ausgewertet, um präzise jene Laubwälder herauszufiltern, auf denen für das Jahr 2020 die Gefahr eines Kahlfraßes besonders hoch ist.

Information der Waldbesitzer

In diesen identifizierten Gefährdungsflächen hat das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Schweinfurt alle Waldbesitzer angeschrieben, die Gefährdungssituation erläutert und sie über die Möglichkeit informiert, sich für einen Pflanzenschutzmitteleinsatz anzumelden. Zusätzlich wurde in Gemeinderatssitzungen und auf Informationsveranstaltungen für private Waldbesitzer ausführlich informiert.

Berücksichtigung von besonderen Schutzgütern

In enger Abstimmung mit der Naturschutzverwaltung wurden parallel all jene Gefährdungsflächen aus der potentiellen Behandlungskulisse herausgenommen, bei denen naturschutzfachliche Gründe entgegenstanden.
Auch werden zu Waldrändern, Gewässern, Wohngebäuden und Straßen bei der Mittelausbringung per Hubschrauber entsprechende pflanzenschutzrechtliche Abstände eingehalten. In Wasserschutzgebieten findet keine Behandlung statt.
Eingesetzt wird das Pflanzenschutzmittel Mimic, welches seit Jahren auch im Obst- und Weinbau eingesetzt wird. Als sogenanntes Fraßinsektizit entfaltet Mimic seine Wirkung, sobald die Raupen des Schwammspinners beginnen, Eichenblätter zu fressen. Ziel ist es, möglichst spezifisch nur diejenigen Arten zu treffen, welche in den kommenden Wochen die Blätter der Eiche als Nahrung nutzen. Das ausgebrachte Mittel ist weder für den Menschen noch für Bienen gefährlich.
In der Öffentlichkeit wird immer wieder diskutiert, ob alternative Gegenmaßnahmen angewendet werden sollten. Jede diskutierte Maßnahme muss zwei Voraussetzungen erfüllen: sie muss wirksam und in der Praxis realisierbar sein. Die Eigelege sind nicht nur am bodennahen Stamm sondern meist unerreichbar in der Krone. Mag ein mechanisches Entfernen am Stamm noch möglich sein ist ein Pflanzenschutzmitteleinsatz in den 25 – 30 Meter über dem Boden befindlichen Kronen unumgänglich. Dabei dürfen nur in Deutschland amtlich zugelassene Pflanzenschutzmittel verwendet werden. Es geht auch nicht um einzelne Bäume sondern um hunderttausende auf mehreren tausend Hektar.

Absperrungen

Rechtzeitig vor Beginn der Befliegung werden die betroffenen Waldgebiete vorsorglich mittels rot-weißem Absperrband und gelber Beschilderung gesperrt. Das Betretungsverbot gilt für einige Stunden bis der Spritzbelag an den Blättern angetrocknet ist. Die Bevölkerung wird ausdrücklich gebeten, diese Sperrungen zu beachten, denn augenblicklich sind Corona-bedingt viele erholungssuchende Spaziergänger in den Wäldern unterwegs.
Am 1. Mai findet kein Pflanzenschutzmitteleinsatz gegen den Schwammspinner statt.

Fortsetzung und Intensivierung der Begleitforschung

Begleitet wird der Pflanzenschutzmitteleinsatz von einem umfangreichen, auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt. Untersucht wird seit 2019, welche Auswirkungen der Pflanzenschutzmittel-Einsatz einerseits und der Kahlfraß an den Eichen andererseits sowohl für die Alteichen selbst, als auch für andere Glieder der Waldlebensgemeinschaft „Eichenwald“ mit sich bringt. Beteiligt sind die Technische Universität München, die Universität Würzburg und die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF).
2020 starten zusätzlich die Arbeiten eines bundesweiten Forschungsprojektes zum künftigen Waldschutz. Mehrere Waldbesitzer im Amtsbereich haben der LWF Untersuchungsmöglichkeiten in ihren Eichenwäldern zur Verfügung gestellt.

Ortsnahe Gefährdungsflächen

Soweit die Eigelegezählungen der Forstverwaltung hohe Schwammspinnerdichten in unmittelbarer Ortsrandlage ergeben haben, hat das AELF Schweinfurt die betroffenen Kommunen darüber informiert.